Anleitung zur täglichen Meditation

Dietrich Bonhoeffer

(Gesammelte Schriften, Band II, München 1959, 478-482)

1) Warum meditiere ich?

Weil ich Christ bin und weil darum jeder Tag für mich verloren ist, an dem ich nicht tiefer in die Erkenntnis des Wortes Gottes in der heiligen Schrift eingedrungen bin. Nur auf dem festen Grund des Wortes Gottes kann ich gewisse Tritte tun. Ich lerne aber als Christ die heilige Schrift nicht anders kennen als durch das Hören der Predigt und die betende Meditation.
Weil ich Prediger des Wortes Gottes bin. Ich kann die Schrift nicht anders auslegen, wenn ich sie nicht täglich zu mir selbst reden lasse. Ich werde das Wort in meinem Amt mißbrauchen, wenn ich nicht anhalte, es betend zu meditieren. Wenn mir im täglichen Amt das Wort oft leer wird, wenn ich es nicht mehr erfahre, dann soll mir das ein untrüglicher Hinweis darauf sein, daß ich das Wort lange nicht mehr habe zu mir selbst reden lassen. Ich versündige an meinen Amt, wenn ich nicht selbst täglich betend das Wort suche, das mein Herr mir heute sagen will. Den Wortverkündigern wird Apostelgesch. 6, 4 besonders das Amt des Gebetes auferlegt. Der Pfarrer muß mehr beten als andere und er hat mehr zu beten.
Weil ich eine feste Gebetszucht nötig habe. Wir beten gern nach Stimmungen, kurz, lang oder gar nicht. Das ist Willkür. Das Gebet ist nicht freies Opfer an Gott, sondern schuldiger Dienst, den er fordert. Wir sind nicht frei, damit nach eigenem Wunsch umzugehen. Gebet ist der erste Gottesdienst am Tage. Gott beansprucht für diesen Dienst unsere Zeit. (Ps. 119, v. 147f. 164). Gott hat Zeit gebraucht, ehe er in Christus zum Heil zu uns kam. Er braucht Zeit, ehe er zum Heil in mein Herz kommt.

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